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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 26.07.2007
Aktenzeichen: 12 U 96/07
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 85 Abs. 2 | |
ZPO § 233 | |
ZPO § 234 Abs. 1 | |
ZPO § 236 | |
ZPO § 520 Abs. 2 S. 1 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss
12 U 96/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht
In dem Rechtsstreit
hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch
den Richter am Oberlandesgericht Funder, den Richter am Oberlandesgericht van den Bosch und die Richterin am Landgericht Kyrieleis
am 26. Juli 2007
beschlossen:
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das am 14. März 2007 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az.: 13 O 256/03, wird verworfen.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Be-rufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Gründe:
I.
Der frühere Kläger zu 1. hat die Beklagte in dem vorliegenden Rechtsstreit auf Zahlung von Werklohn für Fensterbauarbeiten am Bauvorhaben "Wohnen am N... B..." in Z... in Anspruch genommen. Nachdem über das Vermögen des früheren Klägers zu 1. das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers - der Kläger zu 2. -den Rechtsstreit unter Berufung auf eine Abtretung der streitgegenständlichen Werklohnforderung an ihn im eigenen Namen fortgeführt. Mit dem am 14.03.2007 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Klage in dem zuletzt noch vom Kläger zu 2. geltend gemachten Umfang abgewiesen. Das Urteil ist dem Kläger zu 2. am 05.04.2007 zugestellt worden (Bl. 979 GA).
Mit einem per Telefax am 07.05.2007, einem Montag, beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger zu 2. "namens und in Vollmacht der Kläger" Berufung gegen das Urteil des Landgerichts eingelegt; in der Berufungsschrift sind sowohl der frühere Kläger zu 1. als auch der Kläger zu 2. als Berufungskläger bezeichnet. Innerhalb der am 05.06.2007 ablaufenden Berufungsbegründungsfrist ist eine Berufungsbegründung nicht eingereicht worden. Mit Schriftsatz vom 05.06.2007, eingegangen per Post am 08.06.2007, beantragte der Kläger zu 2. die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist. Auf den Hinweis des Senatsvorsitzenden, dass ein fristgerechter Eingang der Berufungsbegründung nicht festgestellt werden könne, hat der Kläger zu 2. mit Schriftsatz vom 12.06.2007, eingegangen beim Brandenburgischen Oberlandesgericht am 13.06.2007, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungs-frist beantragt. Zur Begründung hat der Kläger zu 2. ausgeführt:
Die Fristenbehandlung sei in seiner Kanzlei so organisiert, dass auf dem Urteil sowohl die Berufungs- wie auch die Berufungsbegründungsfrist farblich jeweils mit einer Vorfrist notiert würden. Die auf dem Schriftstück notierten Fristen würden in den Fristenkalender eingetragen, wenn das Schriftstück in der Kanzlei eingehe. Auf dem Schriftstück werde die eingetragene Frist mit roter Farbe bestätigt. Danach werde dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt die eingegangene Post in einer Postmappe vorgelegt, der dann auf dem Schreiben verfüge, wie damit zu verfahren sei. Die Post mit der Verfügung gelange danach zurück ins Sekretariat und werde entsprechend der Verfügung bearbeitet. Dabei werde die bereits notierte Frist nochmals überprüft. Die ausgehende Post werde in einem Postausgangsbuch vermerkt, das von einer Auszubildenden im 3. Lehrjahr geführt werde. Diejenige Angestellte, die die Post bearbeite, nehme auch den Versand vor und mache die ausgehende Post versandfertig. Erst danach erfolge die Austragung der Fristen im Fristenbuch. Auf den ausgehenden Schreiben sei vermerkt, ob sie per Fax versendet würden. Die Versendung der Faxe nehme die bearbeitende Angestellte vor. Im Streitfall sei die Akte dem Kläger zu 2. zusammen mit dem Urteil am 29.05.2007 vorgelegt worden. Am 04.06.2007 habe er den Antrag auf Gewährung einer Fristverlängerung für die Berufungsbegründung diktiert. Das Schreiben sei am Vormittag des 05.06.2007 geschrieben und dem Kläger zu 2. zur Unterschrift mit Akte vorgelegt worden. Der Kläger zu 2. habe nach Unterzeichnung die Rechtsanwaltfachangestellte L... angewiesen, das Schreiben sofort auszufertigen und vorab per Fax an das Oberlandesgericht zu senden. Die Rechtsanwaltsfachangestellte N... L... sei, nachdem sie das unterzeichnete Schreiben an das Oberlandesgericht habe faxen wollen, durch ein längeres Telefonat in einer Zwangsvollstreckungssache abgelenkt worden. Nachdem dieses Telefonat beendet gewesen sei, habe Frau L... die Akte weiterbearbeitet, als ob sie das Telefax bereits abgeschickt hätte. Sie habe den neuen Fristablauf 05.07.2007 sowie die Vorfrist im Fristen- und Terminkalender notiert und die Sache für eine Woche auf Frist gelegt. Den Fristverlängerungsantrag habe sie zum Versand in das Postfach gelegt. Die Auszubildende im 3. Lehrjahr habe den Versand ins Postbuch eingetragen und die Frist im Fristenkalender ausgetragen. Aufgrund des aufgedruckten Vermerks "vorab per Fax" habe sie davon ausgehen können, dass das Schreiben ordnungsgemäß per Telefax versandt worden sei. Zur Glaubhaftmachung legt der Kläger zu 2. eidesstattliche Versicherungen der Rechtsanwaltsfachangestellten N... L... und D... M... sowie der Auszubildenden J... Sc... vor.
Mit einem am 05.07.2007 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht per Telefax eingegangenen Schriftsatz haben die Kläger die Berufung begründet.
II.
1.
Die Berufung ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der am 05.06.2007 ablaufenden Frist zur Berufungsbegründung gem. § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO begründet worden ist. Dabei geht der Senat aufgrund der Bezeichnung auch des früheren Klägers zu 1. als Berufungskläger in der Berufungsschrift sowie dem mit der Berufungsbegründung angekündigten Antrag, die Beklagte zur Zahlung von 14.664,17 € nebst Zinsen an die Kläger zu zahlen, davon aus, dass die Berufung auch namens des Klägers zu 1. eingelegt worden ist, obwohl nach den zuletzt gestellten Anträgen in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht dieser im Wege des Parteiwechsels aus dem Rechtsstreit ausgeschieden war, wie der Kläger zu 2. im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat in dem Rechtsstreit 12 U 143/05 ausdrücklich klargestellt hat (vgl. Bl. 885 GA), und die Klageforderung nur noch durch den Kläger zu 2. geltend gemacht worden ist. Zwar kann sich die erforderliche Angabe, wer der Rechtsmittelkläger ist, auch durch Auslegung der Berufungsschrift und der sonst vorliegenden Unterlagen ergeben (vgl. BGH NJW-RR 2004, 572, 573; BGH NJW-RR 2006, 284 jeweils m.w.N.). Hier sind in der Berufungsschrift vom 07.05.2007 sowohl der frühere Kläger M... F... als auch der jetzige Kläger Rechtsanwalt J... als Berufungskläger bezeichnet. Zugleich enthält die Berufungsschrift die Angabe, dass "namens und in Vollmacht der Kläger" Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 14.03.2007 eingelegt werde. Sowohl der (verspätete) Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vom 05.06.2007 als auch der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beru-fungsbegründungsfrist weisen als Rubrumsbezeichnung die Angabe "in dem Rechtsstreit F... u. a. gegen Gemeinnützige Gesellschaft für S... mbH" auf. Schließlich heißt es in der Berufungsbegründung vom 05.06.2007, dass die Berufung namens der Kläger und Berufungskläger mit den Anträgen begründet wird, die Beklagte zur Zahlung an die Kläger zu verurteilen (vgl. Bl. 1018 GA). Mag auch die Angabe des Klägers zu 1. als Berufungskläger im Kopf der Berufungsschrift vom 07.05.2007 zunächst dem Umstand geschuldet sein, dass der Kläger zu 1. in dem Rubrum des angefochtenen Urteils ebenfalls aufgeführt ist, kann jedoch aufgrund der mehrfach erfolgten Nennung beider Kläger als Berufungskläger in den nachfolgenden Schriftsätzen kein Zweifel daran bestehen, dass die Berufung letztlich auch für und im Namen des Klägers zu 1. eingelegt worden ist, obwohl dieser durch das angefochtene Urteil nicht beschwert ist.
2.
Der Wiedereinsetzungsantrag der Kläger ist gem. §§ 234 Abs. 1, 236 ZPO zulässig, jedoch unbegründet. Nach § 233 ZPO kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur gewährt werden, wenn die Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Dem Kläger zu 2. ist ein eigenes Organisationsverschulden vorzuwerfen, welches sich der Kläger zu 1. nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Die von dem Kläger zu 2. geschilderte Büroorganisation genügt nicht den Anforderungen an eine wirksame Ausgangskontrolle.
Der Rechtsanwalt hat zum einen organisatorische Vorkehrungen zu treffen, dass Fristen im Fristenkalender erst dann mit einem Erledigungsvermerk versehen werden, wenn die fristwahrende Handlung auch tatsächlich erfolgt oder jedenfalls so weit gediehen ist, dass von einer fristgerechten Vornahme auszugehen ist (vgl. BGH VersR 1994, 703; BGH NJW 1997, 3446 m.w.N.; BGH NJW 2004, 367, 368). Zum anderen muss der Anwalt bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax die Ausgangskontrolle organisatorisch dahin präzisieren, dass er die damit befassten Mitarbeiter anweist, einen Einzelnachweis über den Sendevorgang ausdrucken zu lassen, der die ordnungsgemäße Übermittlung anzeigt, und auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichtes zu löschen (vgl. BGH VersR 1995, 1073, 1074; BGH NJW 1998, 907; BGH NJW 2004, 367, 368; BGH NJW 2004, 3490; BGH NJW 2006, 1519 jeweils m.w.N.). Aus der Begründung des Wiedereinsetzungsgesuches ergibt sich nicht, dass in der Kanzlei des Klägers zu 2. eine derartige Anweisung bestand, die Frist erst nach Ausdruck eines Sendeberichtes und der Prüfung der Vollständigkeit der Übermittlung zu löschen. Vielmehr wird nach der vom Kläger zu 2. geschilderten Büroorganisation die Frist im Fristenbuch durch die Auszubildende bereits dann gelöscht, wenn auf den zu versendenden Schreiben der Vermerk "vorab per Fax" angebracht wird, ohne dass durch die Auszubildende nochmals kontrolliert wird, ob das Schreiben tatsächlich per Fax versandt worden ist. Weshalb die Auszubildende davon ausgehen durfte, dass der Schriftsatz mit dem Antrag auf Verlängerung der Berufungs-begründungsfrist tatsächlich bereits ordnungsgemäß per Telefax versandt worden war, obwohl offensichtlich ein entsprechender Sendebericht nicht vorhanden war, ergibt sich aus der Begründung des Wiedereinsetzungsgesuches nicht. Durch diese Handhabung wird jedoch gerade nicht sichergestellt, dass fristgebundene Schriftsätze den Empfänger auch tatsächlich am Tag des Fristablaufes erreichen. Bei einer entsprechenden Anweisung, bei der Versendung von fristwahrenden Schriftsätzen per Telefax die Frist erst dann zu löschen, wenn ein entsprechend kontrollierter Sendebericht vorliegt, wäre in diesem Fall die Frist nicht versäumt worden. Denn dann hätte die Rechtsanwaltsfachangestellte L..., nachdem sie das Telefonat in der Zwangsvollstreckungssache beendet hatte, sofort anhand des fehlenden Sendeberichtes gemerkt, dass der Schriftsatz noch nicht per Telefax versandt worden war.
Das Fehlen entsprechender organisatorischer Maßnahmen hinsichtlich einer wirksamen Ausgangskontrolle ist im Streitfall auch nicht deshalb unerheblich, weil der Kläger zu 2. der Rechtsanwaltsfachangestellten L... die konkrete Anweisung gegeben hat, den Schriftsatz sofort nach Unterzeichnung durch ihn an das Oberlandesgericht zu faxen. Zwar kommt es auf allgemeine organisatorische Regelungen nicht entscheidend an, wenn im Einzelfall eine konkrete Anweisung vorliegt, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte (vgl. BGH VersR 1988, 185, 186; BGH NJW-RR 2002, 60). Dabei ist jedoch auf den Inhalt der Einzelweisung und den Zweck der allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen Rücksicht zu nehmen. Auf die allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen kommt es nur dann nicht mehr an, wenn die Anweisung des Anwalts im konkreten Fall so genau ist, dass die Fristwahrung gewährleistet wird. Anders ist es hingegen, wenn die Einzelweisung nicht die bestehende Organisation außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt. Besteht, wie hier, die Anweisung nur darin, die Übermittlung eines Schriftsatzes sofort per Fax zu veranlassen, so fehlt es an Regelungen, die eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle überflüssig machen. Inhalt der Anweisung ist nur die Bestimmung des Mediums der Übermittlung und der Zeitpunkt ihrer Vornahme. Damit sind die sonst etwa bestehenden Kontrollmechanismen weder außer Kraft gesetzt noch obsolet. Es bleibt sinnvoll und notwendig, dass Anweisungen darüber bestehen, wie die Mitarbeiter eine vollständige Übermittlung per Telefax sicherzustellen haben und unter welchen Voraussetzungen sie eine Frist als erledigt vermerken dürfen. Bestehen sie nicht, entlastet es den Anwalt nicht, wenn er sich im konkreten Einzelfall darauf beschränkt, eine Übermittlung per Telefax anzuordnen (vgl. BGH NJW 2004, 367, 369).
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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